Einige Mitglieder der Dorfwerkstatt Pleß © LandLuft
Einige Mitglieder der Dorfwerkstatt Pleß © LandLuft
Ort:Pleß
Gemeinde:VG Boos
Landkreis:Unterallgäu
Einwohnerzahl:Ca. 860 

 

Dorfwerkstatt Pleß (Bayern)

Sophie Frey, Franziska Bartels und Michael Mair (TU München) entwarfen in ihren Masterarbeiten Umnutzungskonzepte für leerstehende Höfe in Pleß © LandLuft
Sophie Frey, Franziska Bartels und Michael Mair (TU München) entwarfen in ihren Masterarbeiten Umnutzungskonzepte für leerstehende Höfe in Pleß © LandLuft

Mit rund 860 Einwohnen ist Pleß das kleinste Dorf unter den Modellprojekten von Baukultur konkret. Gelegen im Unterallgäu, etwa 15 Kilometer nördlich der Kleinstadt Memmingen ist es der Projektort, der am meisten landwirtschaftlich geprägt ist.

„Der agrarstrukturelle Wandel trifft uns besonders stark, da unser Dorf schon immer eine überdurchschnittlich hohe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe hatte und (noch) hat. Der hohe Veränderungsdruck macht sich in einer Vielzahl leerstehender großer Höfe im Dorf mit teils schon stark gefährdeter Bausubstanz bemerkbar.“ So beschreiben die Gründungsmitglieder der Dorfwerkstatt Pleß, Petra Walser und Sebastian Geiger, die Situation vor Ort.

Um das Image von Pleß zu verbessern, gibt es bereits einen zuversichtlichen und meist mit einer gesunden Portion Selbstironie ausgerufenen Slogan: „GUT, BESSER, PLESSER!“

Doch viel wichtiger sind die Menschen, die mit Neugier, Einsatz und Diskussionsbereitschaft daran arbeiten, die Baukultur ihres Orts besser zu machen. Der Arbeitskreis Dorfwerkstatt Pleß wurde von engagierten Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde initiiert und ist ein Ergebnis des 2011 gestarteten Projektes „ILE Bayerisch Illertal“. Die Dorfwerkstatt Pleß besteht momentan aus ca. 15 Mitgliedern, die sich ein Mal im Monat treffen. Zu den wesentlichsten Anliegen der Initiative gehört es, ehemalige Bauernhöfe zu revitalisieren, Hausbesitzer und Bauinteressierte zu informieren und Gemeinschaftsprojekte im Ort zu initiieren.

Mit Petra Walser und Sebastian Geiger sind Fachleute aus Landschaftsarchitektur bzw. Architektur mit an Bord. Mehrere der Mitglieder, unter ihnen auch Bürgermeister Anton Keller, sind als Erben alter Höfe auch ganz persönlich mit der Frage konfrontiert, wie es mit den nur noch zu einem geringen Teil genutzten oder sogar vollständig leerstehenden Bauten weitergehen soll. Jeder im Dorf wünscht sich, dass die Höfe auch weiterhin mit Leben gefüllt sind, gleichzeitig ist die Sanierung aber eine große Herausforderung. Die Entscheidung, einen Hof zum Verkauf anzubieten oder leerstehende Räume in anderer Form an Zugezogene weiterzugeben, fällt niemandem leicht.

Unterstützung im Rahmen von Baukultur konkret

Ein Dorf geht an die Uni, Besuch am Lehrstuhl Konstruieren und Entwerfen der TU München © LandLuft
Ein Dorf geht an die Uni, Besuch am Lehrstuhl Konstruieren und Entwerfen der TU München © LandLuft

Nach einem ersten Ortsbesuch im Juni 2015 konkretisierte sich die Idee, in Pleß ein Studentenprojekt in Kooperation mit der TU München zu organisieren. Anfangs stand unter dem Arbeitstitel „Reparaturwerkstatt“ ein zweiwöchiger Workshop im Raum, bei dem die Studierenden des Lehrstuhls für Konstruieren und Entwerfen vor Ort konkrete kleine Baumaßnahmen an sanierungsbedürftigen Häusern vornehmen sollten. Doch dieses Konzept ließ sich kaum mit dem Projektzeitplan in Einklang bringen. Dafür kam das Nachdenken über Umnutzungspotenziale in Pleß als mögliches Masterarbeitsthema ins Spiel. Drei DiplomandInnen begannen im Herbst 2015 den Ort zu analysieren und wählten in Absprache mit der Dorfwerkstatt und dem Lehrstuhl je ein Objekt für die weitere Entwurfsarbeit aus.

Außerdem nahmen die drei Studierenden gemeinsam mit rund dreißig Interessierten aus Pleß im November an einer Exkursion nach Vorarlberg teil. Im Mittelpunkt der Besichtigungen standen Sanierungen und Umnutzungen privater und öffentlicher Bauten.

Ein Dorf geht an die Uni

Ein Dorf geht an die Uni, Vorstellung der Studentenprojekten© LandLuft
Ein Dorf geht an die Uni, Vorstellung der Studentenprojekten© LandLuft

Dann stellte sich die Frage: Sollen wir jetzt die Professoren ins Dorf holen oder wäre es nicht interessanter, wenn das Dorf an die Uni ginge, um einen wirklichen Eindruck von der Arbeitsweise am Lehrstuhl zu bekommen? Trotz anfänglicher Skepsis, ob sich genügend Leute für dieses Experiment Zeit nehmen würden, kam am 25. Januar ein voller Bus mit interessierten Plesserinnen und Plessern an die TU München. Nach einigen Impulsvorträgen und einem Rundgang durch die Arbeitsräume gab es genug Zeit, die Umnutzungsideen der DiplomandInnen zu diskutieren. Als Abschluss wurde als Gastgeschenk ein Buffet mit vorwiegend regionalen Produkten aus dem Allgäu zwischen den Architekturmodellen mitten im Büro des Lehrstuhls aufgetischt.

Abschlussworkshop

Gemeindemodell von Pleß, gebaut von Studierenden der TU München © TUM
Gemeindemodell von Pleß, gebaut von Studierenden der TU München © TUM

Als letztes Arbeitsformat im Rahmen von Baukultur konkret fand Anfang April ein zweitägiger Workshop im Vereinshaus von Pleß statt. Hier ging es nach einigen Impulsvorträgen u.a. von Max Zitzelsberger (TU München) und Arnold Hirschbühl (Bürgermeister von Krumbach) um die Weiterarbeit an aktuellen Fragen in Pleß: Wie kann die Dorfstraße ein lebenswerter Raum werden? Wie lassen sich Wohnprojekte abseits des klassischen Einfamilienhauses initiieren? Gibt es interessante Ideen für größere und kleinere Gemeinschaftsprojekte? Und welche Rolle soll die Dorfwerkstatt in Zukunft spielen?

Auch zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene nahmen am Abschlussworkshop teil © LandLuft
Auch zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene nahmen am Abschlussworkshop teil © LandLuft

Unter den insgesamt 60 Teilnehmern waren auch überraschend viele Jugendliche, die sich aktiv in die Diskussionen um Baukultur und Gemeindeentwicklung einbrachten.