Potenzielles Wächterhofobjekt in der Dübener Heide © Büro für urbane Projekte
Potenzielles Wächterhofobjekt in der Dübener Heide © Büro für urbane Projekte
Ort:Laußig, Gräfenhainichen, Kemberg u.a.
Region:Naturpark Dübener Heide
Einwohnerzahl:ca. 68.000 (gesamtes Naturparkgebiet) 

Wochenend-Wächterhöfe Dübener Heide ( Sachsen / Sachsen-Anhalt)

Der sich etwa zu gleichen Teilen über die Landesgrenzen von Sachsen und Sachsen-Anhalt hinweg erstreckende Naturpark Dübener Heide umfasst eine Fläche von rund 75.000 ha, die durch dörfliche Strukturen und Kleinstädte sowie eine ländliche Agrarlandschaft, ausgedehnte Waldgebiete und Moore geprägt ist. Obwohl sich der Naturpark durch seine Lage zwischen den Großstädten Berlin und Leipzig seit seiner Gründung zu einer bekannten Tourismusdestination entwickelt hat, müssen sich die dortigen Gemeinden mit den typischen Herausforderungen ländlicher Räume auseinandersetzen: Die Bevölkerungsentwicklung in der Dübener Heide ist stark rückläufig, so dass sowohl das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, der Zensus 2011 sowie die Rote Liste ländlicher Räume die Gemeinden in der Dübener Heide als (stark) schrumpfend ausweisen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Initiative „Wochenend-Wächterhöfe“ gegründet. Sie ist als selbständige Arbeitsgruppe in den 380 Mitglieder starken Verein Dübener Heide e.V. integriert, der Träger des Naturparks ist und besteht aus zwei Hauptinitiatoren, die verschiedene Akteure und mehrere Ortsbürgermeister in der Region Dübener Heide zur Mitarbeit gewinnen konnten.

Die Initiative beschäftigt sich inhaltlich mit einem wesentlichen baukulturellen Thema im ländlichen Raum: der Arbeit an einer auf die Zukunft gerichteten Idee für eine Stadt-Land-Beziehung mit konkreten Ansätzen zum Umgang mit nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Gebäuden und Flächen. Es geht dabei aber bei weitem nicht nur um Leerstandsbeseitigung und Nachnutzung landwirtschaftlicher Liegenschaften, sondern in erster Linie um die Idee, neue belebende Impulse auf dem Land zu erzeugen, indem junge Menschen aus der Stadt für die Potenziale und Lebensqualitäten auf dem Dorf begeistert und animiert werden sollen, dort selbst als neue Nutzer aktiv zu werden.

Im Zuge einer zunächst temporären („Wochenend-“) Überlassung von Gebäuden, Flächen, Feldern oder Gärten sollen engagierte und kreative Städter „bunte Pflöcke“ auf dem Land einschlagen, die als Einstieg in längerfristige Perspektiven und festes Engagement dienen können. Auf der anderen Seite soll bei den Dorfbewohnern eine Willkommenskultur befördert werden, die eine Integration von neuen Bewohnern überhaupt erst möglich macht. Die Initiative befasst sich dabei ausdrücklich mit der Entwicklung einer Strategie, die im Idealfall übertragbar auf andere Gemeinden und Regionen mit gleichen Problemen sein soll.

Unterstützung im Rahmen von Baukultur konkret

ursprüngliches – dann verkauftes – Wächterhofobjekt © Büro für urbane Projekte
ursprüngliches – dann verkauftes – Wächterhofobjekt © Büro für urbane Projekte

Ein Unterstützungsbedarf durch Baukultur konkret bestand für die Initiative zunächst in einer Vertiefung und Weiterentwicklung ihrer inhaltlichen Ansätze. Hierzu hat das Forschungsteam in ersten Gesprächen Workshop-Formate sowie eine Vernetzung und einen Diskurs mit anderen Vereinen befürwortet, die an ähnlichen Themen arbeiten, vor allem HausHalten e.V. in Leipzig als Betreiber des „Wächterhaus-Modells“. Dadurch sollten Hilfestellungen für die Umsetzung in praktischen und rechtlichen Fragen, z.B. bei der Nutzungsüberlassung von Flächen und Gebäuden ermöglicht werden.

Im Dezember 2015 berief die Initiative einen Fachbeirat als beratendes und begleitendes Gremium ein. Für den Zeitraum der Zusammenarbeit im Rahmen von Baukultur konkret wurde auch das Forschungsteam von Baukultur konkret in den Beirat berufen, um die Initiative zu unterstützen. Der inhaltliche Fokus der ersten Beiratssitzung lag auf der Betrachtung von Trägermodellen, Begegnungsformaten, Mehrwerten für Eigentümer und Nutzer, rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Rolle der Initiative als möglicher Vermittlerin zwischen Eigentümern und Nutzern. Im Ergebnis wurde verabredet, mit den Akteuren aus der Dübener Heide eine Exkursion zu den Wächterhäusern nach Leipzig zu unternehmen und die Kernfragen des Projektes in der nächsten Beiratssitzung in Form eines vom Forschungsteam konzipierten Strategieworkshops zu behandeln.

Strategieworkshop in Gräfenhainichen © Büro für urbane ProjekteBeiratssitzung © Büro für urbane Projekte
Beiratssitzung © Büro für urbane Projekte

Aus den Diskussionen hatte sich nämlich die bereits in den Vorgesprächen erkannte Notwendigkeit ergeben, die Programmierung des Wächterhöfe-Ansatzes in der Dübener Heide noch einmal grundsätzlich zu prüfen, da sich in den vergangenen Monaten die Rahmenbedingungen für das Projekt entscheidend verändert hatten: Während nach wie vor ein reges Nutzerinteresse von Interessenten aus der Stadt und auch aus der Region zu verzeichnen war, standen aktuell aus verschiedensten Gründen kaum noch Objekte für eine Innutzungnahme zur Verfügung: Als Wächterhöfe vorgesehene Immobilien waren zwischenzeitlich veräußert worden, teils spekulative Veränderungen auf dem Immobilienmarkt führten zu einer Verknappung und Verteuerung ländlicher Immobilien auch in der Dübener Heide und eine große Skepsis bei den Eigentümern auf den Dörfern verhinderte bislang, dass leerstehende Gebäude als Wächterhöfe angeboten werden konnten.

Strategieworkshop

Exkursion zu den Wächterhäusern © Büro für urbane Projekte
Exkursion zu den Wächterhäusern © Büro für urbane Projekte

Im April 2016 wurde der Strategieworkshop als Hauptformat zur Unterstützung der Initiative durch das Forschungsteam ausgerichtet, um die inhaltliche Arbeit der Initiative neu zu justieren sowie organisatorisch zu strukturieren. Dabei wurden die Ansätze und Ziele des bestehenden Konzeptes mit den Erkenntnissen aus der Sitzung des Fachbeirats, der Exkursion in Leipzig sowie Gesprächen mit Eigentümern, Nutzerinteressenten sowie Vertretern aus Kommunalpolitik und Gemeindeverwaltung abgeglichen und weiterentwickelt. Ausgehend von der Zusammenschau aller bisher erlangten Erkenntnisse wurden verfügbare Gebäude und Objekte benannt und auf ihre Nutzungspotenziale untersucht, Mehrwerte für alle beteiligten Akteure aufgezeigt, sowie Lösungsansätze für die organisatorische Fortführung des Projektes betrachtet. 

Strategieworkshop in Gräfenhainichen © Büro für urbane Projekte:
Strategieworkshop in Gräfenhainichen © Büro für urbane Projekte:

Der Strategieworkshop wurde als „Befähigungsformat“ ausgerichtet, um der Initiative zu helfen, Unstimmigkeiten zu beseitigen, offene Fragen des Konzeptes zu lösen und in einem nächsten Schritt die Ergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen und handlungsfähig zu werden. Als Ergebnis des Strategieworkshops wurden u.a. zwei öffentliche Veranstaltungen verabredet, um mit den Wächterhöfen in die praktische Umsetzung zu gelangen: Die Veranstaltung „Angraben“ noch im Frühjahr 2016 ist als erste öffentliche Aktion geplant, um Informationen über das Projekt in Form eines niederschwelligen Ansatzes in die Gemeinden hineinzutragen und den beteiligten Akteuren die Chance zu geben, sich gegenseitig kennenzulernen. Im September 2016 soll durch den Eigentümer eines Hofes in Kemberg darüber hinaus ein „Hoftag“ als weitere öffentlich wirksame Veranstaltung zur Präsentation des Projektes durchgeführt werden.